Aufforstungsprojekte – alles Hype oder Lösung?

Riesige Aufforstungsprojekte – alles Hype oder eine wirkliche Lösung?

Aufforstungsprojekte – alles Hype oder Lösung?
Kategorie
Klimaschutz
Letztes Update
23/6/2021

In den letzten Jahren sind viele grossflächige Baumpflanzprojekte lanciert worden. Solche Projekte sind in der Politik und auch bei Medien beliebt, weil sie häufig mit beeindruckenden Zahlen einhergehen und damit viel Aufmerksamkeit erregen.

Um die globale Erwärmung unter 1,5° C zu halten ist es nicht nur dringlich, die CO2-Emissionen massiv zu senken, es können auch gezielt bestehende natürliche CO2-Senken gefördert werden. Wälder sind tatsächlich die zweitgrösste natürliche CO2-Senke. So kann über Aufforstung im grossen Stil CO2 gebunden werden. Gemäss einer von der ETH Zürich veröffentlichten Studie stünden 0,9 Milliarden Hektare weltweit zur Aufforstung zur Verfügung - dies entspricht einer Fläche der USA. Einmal herangewachsen könnte diese Fläche über 200 Milliarden Tonnen CO2 speichern. Aufforstung ist somit ein wirksames Mittel, um CO2 in der Atmosphäre zu reduzieren.

Es gibt aktuell diverse Aufforstungsprojekte wo im grossen Stil Bäume angepflanzt werden:

Ein Grossprojekt ist die neue Chinesische Grüne Mauer

In diesem langfristigen Projekt hat sich China zum Ziel gesetzt, bis ins Jahr 2050 35 Mio. Hektare Bäume (Grösse Deutschlands) in Chinas nördlichen Trockengebieten anzupflanzen. Der finanzielle Aufwand ist ebenfalls gigantisch, derzeit gibt China pro Jahr nämlich 5 Milliarden EUR aus. Trotz Rückschlägen sind die Erfolge sichtbar.

Pakistans Billion Tree Tsunami

Unter anderem hat die Regierung Pakistans kostenlose Setzlinge an die Bevölkerung verteilt und bezahlt Landbesitzer für jeden überlebenden Baum. Das Projekt wurde 2014 lanciert, als der pakistanische Waldbestand auf einen Tiefstand gesunken ist. Nur rund 5% des Landes waren zu dieser Zeit mit Wald bedeckt, weit unter den von den Vereinten Nationen empfohlenen 12%.

Das vom WEF lancierte Projekt 1t.org

Das Projekt zielt darauf ab, Regierungen, Unternehmen und NGO’s verpflichtend für Aufforstungsprojekte zu mobilisieren. Das Ziel ist bis zum Jahr 2030 eine Billion Bäume entweder zu erhalten, zu rekultivieren oder neu anzupflanzen.

Die 2011 Bonn Challenge (Deutschland & International Union for the Conservation of Nature IUCN)

Die Kollaboration hat sich zum Ziel gesetzt, weltweit 350 Mio. Hektare gerodeter oder maroder Flächen bis 2030 wiederherzustellen. Daraus sind viele Aufforstungsprojekte entstanden.

The Great Green Wall in Afrika

Mit der Initiative sollen Bäume in der Sahelzone über 8'000 KM gepflanzt werden. Das Gebiet erstreckt sich komplett von der West- zur Ostküste des afrikanischen Kontinents. Die stark von Dürre geprägte Region soll so mit neuem Leben erfüllt werden und die Gemeinden aufblühen lassen.

Es gibt aber zunehmende Kritik an grossflächigen Aufforstungsprojekten:

  • Mit der Aufforstung kann vor dringenderen Aufgaben abgelenkt werden - wie dem Schutz bestehender Wälder oder einer Senkung des Verbrauchs fossiler Brennstoffe.
  • Häufig werden, anstatt einer sinnvollen natürlichen Waldrenaturierung, schnell wachsende, aber unpassende Bäume in grosser Zahl angepflanzt. Dadurch kann das lokale Ökosystem und die natürliche Artenvielfalt bedroht werden, wenn durch den damit steigenden Wasserverbrauch umliegende Gebiete austrocknen.
  • In Pakistan bauen viele Landbesitzer Eukalyptus an, weil es sich aufgrund des schnellen Wachstums mehr auszahlt. Dies birgt die Gefahr, dass das natürliche Ökosystem aus dem Gleichgewicht gebracht wird und z.B. Weideflächen verloren gehen.
  • Nicht einheimische Eukalyptus und Kieferarten sind weit verbreitet in Aufforstungs-Projekten. Diese Arten wachsen schnell in unterschiedlichen Breitengraden. Weil sie aber mehr Wasser benötigen als einheimische Pflanzen besteht die Gefahr, dass Flüsse und Feuchtgebiete austrocknen.
  • Es besteht eine latente Gefahr, die Renaturierung mit Aufforstung zu verwechseln. Manchmal bedeutet Renaturierung auch, dass Bäume abgeholzt werden müssen. Die Erhaltung und Wiederherstellung natürlicher offener Ökosysteme wie Weideland bringt oft mehr Vorteile als Aufforstung.

Mehrere akademische Artikel prognostizieren ein grosses Potential von Wiederaufforstungsprojekten

  • Einer der meistpublizierten Artikel ist der Atlas of Forest and Landscape Restoration Opportunities vom World Resources Institute (WRI). Aus dem Artikel geht hervor, dass weltweit bis ca. 2 Milliarden Hektare an maroder und gerodeter Flächen für die Aufforstung geeignet wären.
  • Das Crowther Lab der ETH Zürich hat im Artikel The Global Tree Restoration Potential eine Karte erstellt, die alle Gebiete mit ausreichend Niederschlag aufzeigt, die zur Aufforstung geeignet sind. Weltweit gibt es gemäss dieser Abschätzung ca. 900 mio. Hektare (Grösse der USA) an verfügbarem Land, wo aufgeforstet werden kann. Wenn auf einer so grossen Fläche neuer Wald entstehen könnte, würde damit ca. ¼ des gegenwärtigen Kohlenstoffes der Atmosphäre gespeichert.
  • Die Karten des Crowther Labs und des WRI mit den potenziellen Aufforstungsgebieten sind aber generell zu optimistisch und haben eine grosse Ungenauigkeit. So werden z.B. Naturschutzgebiete, die grosse Flächen von Weideland und Savannen beinhalten wie die Serengeti, in den Karten fälschlicherweise als Gebiete möglicher Wiederaufforstung betrachtet.
  • Aus Sicht der westlichen Welt könnte in Afrika grossflächig industriell Wald aufgeforstet werden, um die Emissionen der reichen westlichen Welt zu kompensieren.
  • Industrienationen stellen oft nur das Geld für Aufforstungsprojekte bereit, aber keine lokalen Ressourcen. Viele Entwicklungsländer verfügen nicht über ausreichende wissenschaftliche Kenntnisse, um Baumpflanzprogramme umzusetzen. Es besteht auch häufig die Gefahr, dass Politiker umweltschädliche Projekte vorantreiben, wenn solche zu schnelleren Resultaten führen.
  • In vielen Regionen wird jedoch mehr Kohlenstoff im Boden gehalten als in oberirdischer Biomasse. Daher ist es wichtig, künftig auch den Boden zu berücksichtigen.
  • Grasland kann oft mehr Kohlenstoff speichern als Wälder. Gräser verbrauchen weniger Wasser zur Bindung von Bodenkohlenstoff als Bäume und sind bei höheren Temperaturen effektiver. Sie sind auch weniger anfällig für Zerstörung durch Feuer und Dürre. Der Klimawandel macht Wälder anfälliger für Zerstörung durch Dürre, Feuer, Insekten und Krankheiten, wodurch Kohlenstoff wieder in die Atmosphäre abgegeben wird. Solche Bedrohungen sind generell schwer vorherzusagen.
Wissenschaftler des Royal Botanic Garden in Grossbritannien veröffentlichten den Artikel «10 golden rules for restoring forests». Darin wird insbesondere die Wichtigkeit der Erhaltung von bestehenden natürlichen Wäldern gegenüber neuem Anpflanzen betont.

So bedeckt der Amazonas-Regenwald eine Fläche von ca. 6 Millionen Quadratkilometer in 9 Ländern. Der weitaus grösste Teil des Waldes (ca. 60%) befindet sich in Brasilien. Zusammen umfasst der Amazonas-Regenwald mehr als die Hälfte des weltweit verbleibenden Regenwalds. Es muss absolute Priorität sein, diese Flächen zu schützen und zu erhalten. Eine globale Lösung wäre, diese Flächen durch eine internationale Organisation, z.B. der UNO den Ländern abzukaufen und unter permanenten Schutz zu stellen. Die weltweite Rodung tropischer Regenwälder verursacht schätzungsweise 7 bis 10 Prozent des weltweiten CO2-Austosses, dies entspricht dem zwei bis dreifachen CO2-Ausstoss der gesamten Flugindustrie.

Quellen: A. Welz, Yale Environment 360, Global Citizen

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