Die Natur vergisst nicht!

Die Natur vergisst nicht: Biodiversitätsverlust und Virenverbreitung – die Rolle der Regenwälder bei der Zunahme von Pandemi

Die Natur vergisst nicht!
Kategorie
Klimaschutz
Letztes Update
9/3/2021

Wissenschaftlerinnen warnen: wenn die Ausbeutung der Ökosysteme weiterhin so voranschreitet wie bisher, werden wir einen Anstieg der von Tieren auf den Menschen übertragbaren Krankheiten zu erwarten haben. Aber nicht nur Wilderei und der Handel mit Wildfleisch führt zu Pandemien. Eine wesentliche Rolle spielen die Eingriffe in die Regenwälder.

Flüchtlingswelle, Klimanotstand, Pandemien – so heissen die grossen Herausforderungen unseres Jahrzehnts. Dabei handelt es sich aber nicht um drei voneinander unabhängige Probleme; sie hängen vielmehr eng zusammen und bedingen sich sogar gegenseitig. Ausgangspunkt ist die Zerstörung natürlicher Lebensräume für den wirtschaftlichen Profit.

Industrien, Landgewinnung für Strassen- und Städtebau, Vieh- und Landwirtschaft sind massgebliche Auslöser für die Klimaerwärmung. Besonders betroffen sind die Regenwälder. Fortschreitende Verwüstung und Wassermangel als Folge der Abholzung bringen nicht nur die natürliche Artenvielalt empfindlich aus dem Gleichgewicht, sie zwingen auch Menschen in betroffenen Gebieten zunehmend dazu, ihre Heimat zu verlassen. Die Ausbeutung weiterer Lebensräume und ihrer Tierwelt wird zudem einen steigenden Strom von Krankheiten, welche von Tieren übertragen werden, in den nächsten Jahren erwarten lassen.

Viren verbreiten sich auf modernen Wegen per Zug, Schiff und Flieger. Zunächst aber müssen sie in den Menschen gelangen.

Für die Verbreitung von Erregern sorgt das Reiseverhalten der Menschen. Man denke an die Situation im Frühjahr 2020 im österreichischen Ischgl, bei der Après-Ski-Touristen zu Superspreadern und der kleine Ort in Tirol seitdem als einer der Hotspots bei der Verbreitung des Coronavirus in Teilen Europas wurden. Dieser moderne Weg der Verbreitung kommt dem Virus aber erst sekundär bei seiner weltweiten Verbreitung zugute. Wo aber liegt der primäre Ursprung solcher Zoonosen und daraus resultierender Epidemien und Pandemien?

Als Zoonosen bezeichnet man Infektionskrankheiten, welche von Tieren auf den Menschen übertragen werden. Wissenschaftlerinnen gehen davon aus, dass Ansteckungsgefahren auf diesem Wege durch das vom Menschen ausgelöste Artensterben weiter zunehmen werden. In Regenwäldern leben zwei Drittel aller Tier- und Pflanzenarten. Während in intakten Lebensräumen ein gesundes Gleichgewicht aller in ihm vorkommenden Lebensformen, inklusive Bakterien und Viren, herrscht, ist dieses Gleichgewicht nach einem Eingriff durch den Menschen oftmals empfindlich gestört. Infolgedessen können einzelne Erreger - die unter normalen, natürlichen Bedingungen zwar vorkommen, durch die ausgeglichene Anzahl ihrer Wirtstiere aber nicht ausser Kontrolle geraten – sich unter Umständen explosionsartig vermehren.

Zerstörung der Biodiversität verschafft Viren Chancen unkontrollierbarer Vermehrung.

Menschliche Eingriffe in die Natur setzen Prozesse in Gang, welche zunächst zu einem Ungleichgewicht der dort vorkommenden Arten führen. Die Individuen aller Arten stehen untereinander in engen, wichtigen Beziehungen und regulieren auf natürliche Art gegenseitig ihre Bestände. Auf diese Weise halten also auch die Wirte die in ihnen vorkommenden Erreger in einem natürlichen Gleichgewicht. Die Zahl der Erreger steht also in unmittelbarer Abhängigkeit von der Zahl der Wirtstiere. Vermehren sich die Wirtstiere ungebremst, weil man beispielsweise ihren natürlichen Feinden den Lebensraum genommen hat, so gerät das Ökosystem aus den Fugen.

Je häufiger ein Erreger vorkommt, desto schneller kann er sich ausbreiten. Ein gestörtes biologisches Gleichgewicht kommt den Erregern dabei ebenso zugute wie eine zu enge Haltung zu vieler Tiere auf zu wenig Raum. Ein weiterer Faktor ist, dass bestimmte Wildtiere durch den Verlust ihrer Lebensräume zu Kulturfolgern werden und sich zunehmend in der Nähe menschlicher Siedlungen aufhalten. Aufgrund unseres Reiseverhaltens wird es Erregern zusätzlich erleichtert, sich weltweit auszubreiten. Es kommt zum exponentiellen Wachstum.

Ökosysteme weltweit leiden am selben Problem

Das Problem einer gestörten Biodiversität betrifft nicht nur die Regenwälder. Auch in unseren Breiten haben die extremen heissen, trockenen Sommer der letzten Jahre die Wälder und ihre Widerstandskraft geschwächt und damit Eichenprozessionsspinnern und Borkenkäfern beste Bedingungen verschafft und für eine überdimensionale Vermehrung der Schädlinge gesorgt. Ihre Bekämpfung ist bis heute nicht abgeschlossen. Zumindest aber hat man es bei diesen Schädlingen nicht mit mikroskopisch kleinen, Pandemie auslösenden Viren zu tun.

Viele Viren werden durch Fliegen, Mücken und Zecken übertragen. Sie stammen aus den Regenwäldern rund um den Äquatorgürtel und lösen Krankheiten aus wie Malaria, Enzephalitis, Gelbfieber, etc. Das Corona-Virus wie auch das Ebola-Virus hingegen kommen in Säugetieren (Fledermäusen/Affen) vor und wird von diesen u.a. durch unsachgemässen Kontakt und den unhygienischen Umgang mit Wildfleisch (Bushmeat) übertragen. Um daraus eine Epidemie oder Pandemie entstehen lassen zu können, muss darüber hinaus eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung möglich sein.

Mutationen – durch genetische Veränderungen gelingt Viren eine bessere Anpassung an den Wirt. Nicht immer sind sie auch gefährlicher.

Derzeit forschen Wissenschaftlerinnen nach Viren, Bakterien und Parasiten, von denen bekannt ist, dass sie Haustiere und Menschen befallen können. Wichtig ist zudem, herauszufinden, wie stark der Anteil an Erregern in Wirtstieren in einem gesunden Ökosystem ist, wie stark sie sich auch unter natürlichen Bedingungen verbreiten können und zu welchen Mutationen es dabei kommen kann.

Dass Viren mutieren ist an sich ein völlig normaler Vorgang. Durch Forschungen konnte bereits herausgefunden werden, dass etwa das in St. Louis im Jahr 1933 erstmalig nachgewiesene St. Louis Enzephalitis-Virus, welches von Stechmücken übertragen wird, ursprünglich aus Zentralamerika stammte und sich wahrscheinlich von dort aus mit Schiffen auf dem Wasserweg verbreitet hat. Bevor es in St. Louis zum Ausbruch einer Epidemie kam, vergingen einige Jahre, in denen das Virus vermutlich genügend Zeit hatte, sich anzupassen.

Biodiversität fördern, Raubbau stoppen

Sind sie erst einmal ausgebrochen, sind Pandemien extrem schwer zu handhaben. Das zeigte zu Beginn des 20. Jahrhundert die Spanische Grippe, die bei Soldaten in Kansas erstmalig auftrat und auch in Europa Millionen (weltweit etwa 50 Millionen) Todesopfer forderte; wie auch ganz aktuell das Coronavirus. Voraussetzung für eine Prävention vor Krankheiten dieser Art ist es also, zu verstehen wie es zur Verbreitung der Viren kommen kann und diese Mechanismen zu unterbrechen, Auslöser rückgängig zu machen oder am besten gar nicht erst entstehen zu lassen, um die Begünstigung neuer Infektionskrankheiten auszuschliessen. Epidemien, die mit dem Klimawandel und dem Verlust der Biodiversität zusammenhängen, sind in den letzten Jahren angestiegen. Das Risiko ist weiterhin hoch und wird vermutlich weiter steigen, auch wenn hierzu exakte Zahlen nicht vorliegen.

Das bedeutet im Klartext, noch intakte Ökosysteme müssen dringend erhalten bleiben und Anstrengungen unternommen werden, geschädigte Systeme wieder zu renaturieren. Diese Massnahmen müssen mit allen anderen Massnahmen zur Begrenzung der Klimaerwärmung Hand in Hand gehen. Geschieht dies nicht, könnten Pandemien noch vor den befürchteten Auswirkungen einer 2 Grad Erwärmung des Klimas zu einer viel grösseren Katastrophe für die Menschheit werden. Die Auswirkungen spüren wir bereits jetzt.

Appell an die Vernunft

Man könnte Pandemien auch als letzte Mahnung verstehen, den menschengemachten Klimawandel endlich ernst zu nehmen. Wo die Zerstörung (auch menschlicher) Lebensräume zugunsten wirtschaftlichen Profits zwar deutlich wahrgenommen, aber immer noch billigend hingenommen werden, wirken letztendlich Pandemien mit ihren Lockdowns als letzte Bremse. Immerhin – ein langsames Umdenken in der Bevölkerung und auch in der Politik sind spürbar.

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