Elektromobilität und CO2
Mitte April legte das Institut für Wirtschaftsforschung (Ifo) eine Studie vor, laut der E-Autos das Klima bis zu 28% stärker belasten als Dieselfahrzeuge. Kritiker sehen allerdings Mängel in der Studie. E-Fahrzeuge seien ganz sicher kein Schwindel, betont Martin Wietschel vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung. Ex-Ifo-Chef Hans-Werner Sinn ginge in der Ifo-Studie von Umständen aus, die zu einer besonders negativen Klimabilanz für E-Autos führten.
Die Studie des Ifo legt Normverbräuche zugrunde. Reale Verbräuche liegen in der Regel aber deutlich unter diesen. Die Studie vergleicht das zur Zeit populärste Elektroauto, den Tesla Model 3, mit dem Mercedes C220 mit Dieselmotor. Während der Mercedes pro Kilometer auf einen CO2-Wert von rund 141 Gramm kommt, bringt es der Tesla mit Long Range Dual Motor je nach Herstellungsort und Herstellungsart seiner Batterie auf satte 155 bis 180 Gramm. Diese Studie widerspräche jedoch so gut wie allen seriösen internationalen Studien der vergangenen Monate, erklärte auch Mobilitätsexperte Don Dahlmann in der Wirtschaftswoche. Die Studie rechne schlichtweg mit falschen Zahlen. Auf Untersuchungen, in denen Dieselfahrzeuge wesentlich schlechter bewertet werden als Elektromobile verweist auch das Umweltbundesamt.
Wirtschaftsingenieur Martin Wietschel erklärte auf die Frage von n-tv ob Elektroautos ein grosser Schwindel seien, die Ifo-Studie ginge von Umständen aus, die zu einer besonders negativen Bilanz für E-Mobile führten. Bei der Studie seien zwar mit dem Tesla Model 3 und dem Mercedes C220 Diesel zwei miteinander vergleichbare Fahrzeuge auf ihre Emissionen getestet worden, allerdings sei in diesem Falle das E-Auto mit seiner grossen Batteriekapazität von 75 Kilowattstunden kein repräsentatives Elektrofahrzeug. Ebenso könne man nicht wie die Forscher der Studie es täten, davon ausgehen, dass in Zukunft die Treibhausgasemissionen aus der Energiegewinnung gleich blieben. Man dürfe im Gegenteil annehmen, dass in den kommenden Jahren CO2-Emissionen weiter sinken werden. Berücksichtige man diese beiden Faktoren, so senkten diese die Klimabilanz von E-Autos ganz erheblich.
Wietschel kommt in einer eigenen Studie auf ganz andere Ergebnisse: so sparen Elektroautos im Vergleich zu Verbrennungsmotoren zwischen 28 % (bei einem Diesel der Oberklasse) und 42 % (bei einem mit Benzin betriebenem Kleinwagen) Emissionen ein.
Die Ergebnisse der Ifo seien grundsätzlich nachvollziehbar, allerdings träfen sie nur unter den Bedingungen zu, die die Autoren der Studie ausgewählt hätten. Zum Tragen kamen hier, das Hans-Werner Sinn und seine Kollegen die Emissionen bei der Herstellung der Autobatterien und den deutschen Strommix in ihrer Berechnungen aufgenommen hatten. Die Belastung durch die Herstellung der Autos selbst wurde hingegen nicht berücksichtigt. Die Studie der Ifo ging zudem davon aus, dass rund 35 % des Stroms für ein Elektroauto (sowohl für die Herstellung der Batterie und ihre spätere Ladung) aus Kohlekraftwerken stammt.
Unter diesen zugrunde gelegten Bedingungen mögen die Berechnungen der Ifo-Studie zutreffen. Sie gehen allerdings von einem sehr negativen Szenario aus. Unter anderen Voraussetzungen kommen durchaus andere Ergebnisse zustande. Dies bedeutet, dass die tatsächlichen CO2-Werte immer von mehreren Faktoren abhängig ist, die allesamt in die Waagschale fliessen. Dazu gehören das Gewicht des Wagens, die Leistung seines Motors und Herkunft seiner Batterie ebenso wie die Herkunft des verwendeten Tankstroms. Die eingangs genannten Werte von 155-180 Gramm CO2 pro gefahrenem Kilometer beim Tesla ergeben sich aus folgender Rechnung: Bei der Herstellung der Lithium-Ionen-Batterie werden rund 145-195 Kilogramm CO2 pro Kilowattstunde Batteriekapazität freigesetzt. Das bedeutet bis zu 15 Tonnen CO2 bei einer Batterie mit 75 Kilowattstunden. Aufgeteilt auf 150.000 Kilometer fallen auf die Autobatterie bis zu 98 Gramm CO2 pro gefahrenem Kilometer. Es gilt also: je grösser die Batterie, desto schlechter ihre Klimabilanz. Hinzugerechnet werden muss noch jene Emission, die durch den Ladestrom verursacht wird. Andere E-Autohersteller bieten bereits kleinere Batterien von 40 Kilowattstunden an.
Die Produktion des Stroms für die Herstellung der Batterien fliesst ebenfalls in ihre Ökobilanz ein. Für Lithiums-Ionen-Akkus wird sehr viel Energie benötigt. Die CO2-Emission bei der Batterieproduktion ist in China etwa 30 % höher als in den USA und in den USA noch etwa 50 % höher als in Schweden. Der Grund für die positive Bilanz in Skandinavien ist, dass hier grösstenteils Atom- und Ökostrom zum Einsatz kommt. Tesla produziert im US-Bundesstaat Nevada mit Solarstrom. Hier ist der Anteil am Ökostrom im Vergleich zu allen anderen US Bundesstaaten sehr hoch. Erneuerbare Energien zu nutzen ist das Ziel des Unternehmens, auch wenn es bisher keine genauen Angaben zur Ökobilanz der Produktion gibt. Auch die chinesischen Märkte wollen in Zukunft aber zunehmend auf Ökostrom setzen. Lägen der Ifo-Studie nicht ausschliesslich die Bedingungen der Stromgewinnung in Deutschland zugrunde, wäre sie für die E-Mobilität vermutlich besser ausgefallen.
Bei einer Laufleistung von rund 150.000 Kilometern schneidet die Bilanz einer Batterie schlecht ab. Dieser angenommene Durchschnittswert ist allerdings ebenfalls eher pessimistisch gedacht. Mittlerweile schaffen Batterien in E-Autos gut 50.000 Kilometer mehr, Tendenz steigend. Wenn man davon ausgehen kann, dass die Batterien sich in Zukunft noch weiter verbessern, werden sie eine deutlich positivere Bilanz aufweisen als noch heute. Aber auch nach ihrem Einsatz im Fahrzeug werden sie nicht „entsorgt“. Wie bei vielen anderen Gebrauchsgütern gehen auch die gebrauchten Akkus einem zweiten Leben entgegen. Es ist bereits denkbar sie als zusätzlichen Stromspeicher im Haushalt einzusetzen.
Die Leistungsfähigkeit eines Motors steht ebenfalls im Zusammenhang mit seiner CO2-Emission. Im Vergleich NEFZ schneidet ein hochmotorisierter Tesla gegen einen viel schwächeren Diesel schlechter ab. Der mittlerweile veralteten Prüfzyklus NEFZ vergleicht allerdings “Äpfel mit Birnen“ wenn ein E-Sportwagen gegen einen deutlich schwächer motorisierten Dieselmotor antreten muss. Das NEFZ-Verfahren kam bei Autos mit Verbrennungsmotoren zu so niedrigen Werten, dass man sie heute als unrealistisch einstufen muss.
Den Hauptfaktor bei der Ökobilanz von E-Autos stellt der Strom, der zum Tanken genutzt wird. Aktuell besteht der Ladestrom in Deutschland aus einem Strommix aus erneuerbaren und konventionellen Energiequellen. Der Anteil des Stroms aus Kohle schmälert die Bilanz von E-Autos. Von diesem derzeitigen Zustand geht auch die Ifo-Studie aus. In Zukunft aber soll (wenn man der Politik glauben darf) die Energiegewinnung aus Kohle deutlich reduziert werden. Sollte dies eines Tages tatsächlich so weit sein, ist E-Mobilität auch in der Bundesrepublik völlig emissionsfrei. Skandinavien ist Vorreiter: In Norwegen beispielsweise kommt auf eine Kilowattstunde Strom 60 Gramm CO2, während es in Deutschland zum jetzigen Stand der Dinge rund neun mal so viel ist.
In der Ifo-Studie gehen die Forscher also von den schlechtesten Bedingungen der Produktion und Betankung von E-Autos aus. Unter günstigeren Voraussetzungen in anderen Studien schneidet ein E-Fahrzeug in seiner Ökobilanz jedoch besser ab als ein dieselmotorisiertes Fahrzeug. Realistisch und langfristig betrachtet werden Diesel- und Benzinfahrzeuge die Strassen räumen müssen, auch wenn zurzeit die kleineren unter ihnen tatsächlich die Umwelt (noch) weniger belasten als schwere E-Fahrzeuge.
In Anbetracht der Dringlichkeit der Einsparung von schädlichen Emissionen aber sollte man generell aufhören bei der Neuanschaffung eines Autos nach Statussymbolen zu suchen, sondern sich Gedanken darüber machen, wie klimaschonend die eigene Mobilität sein könnte. Ein möglichst kleines E-Auto sollte den Vorzug haben.
Der schwere Tesla mag als Statussymbol ein passender Ersatz für den SUV sein. Wer aber glaubt, das E-Auto garantiere ein CO2-unbelastetes Gewissen bei ungebremstem Fahrspass, der hat die Zeichen der Zeit nicht verstanden. Wer es ernst meint mit dem Umweltschutz, der setzt Verkehrsmittel verantwortungsvoll ein. Nicht das Fahrgefühl sollte im Mittelpunkt des Interesses bei der Anschaffung stehen, sondern die Möglichkeit umweltschonend mobil zu sein.
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