Kompostierbarer Kunststoff
Wissenschaft und Industrie suchen nach Alternativen, die uns ermöglichen sollen, beim Umweltschutz auf gewohnte Bequemlichkeiten nicht verzichten zu müssen. Neben sauberem Strom und E-Mobilität erobert nun auch kompostierbarer Kunststoff den Markt. Halten die Produkte was sie versprechen oder bietet die Industrie Verbrauchern damit nur eine „Beruhigungspille“ an?
Wer je versucht hat plastikfrei einzukaufen, weiss, dass dies in den allermeisten Läden nahezu unmöglich ist. Noch immer ist es lediglich auf Wochenmärkten und einigen „Unverpackt-Läden“ machbar, Obst und Gemüse gänzlich ohne Verpackung zu erwerben. Zwar verzichten viele Supermärkte mittlerweile auf die Ausgabe von Plastiktüten und bieten bestimmte Lebensmittel auch als lose Ware an; beim Wocheneinkauf landet dennoch so viel Kunststoff im Einkaufswagen, dass pro EU-Bürger im Schnitt pro Jahr 32 Kilo Verpackungsmüll aus Plastik anfallen.
Deutschland produziert allen Umweltschutzaufrufen zum Trotz noch immer den meisten Verpackungsmüll in Europa und das obwohl seit Jahren hinlänglich bekannt ist, dass unsere Ozeane im Plastikabfall ersticken und weltweit Müllhalden ungebremst in den Himmel wachsen. Sogenannte Bio-Kunststoffe bieten sich als Alternative an, da sie angeblich auf natürlichem Wege verrotten. Ihr tatsächlicher Nutzen für die Umwelt ist allerdings fraglich.
Die gute Nachricht vorweg: im Gegensatz zu herkömmlichen Kunststoffen werden Bio-Kunststoffe zum Grossteil aus pflanzlichen Rohstoffen hergestellt und sind damit zumindest theoretisch kompostierbar. Bei der Produktion ist sehr viel weniger Energie nötig als für Kunststoffe auf Erdölbasis. Pflanzen sind nachwachsende Rohstoffe, die während ihres Wachstums zudem CO2 aufnehmen. Für Biokunststoffe muss nicht ausschliesslich auf fossile Rohstoffe zugegriffen werden.
Was eindeutig für die Kunststoffproduktion aus Hanf spricht ist, dass diese Pflanze extrem schnell wächst und so widerstandsfähig ist, dass ein Einsatz von Pflanzenschutzmitteln nicht nötig ist. Damit haben sich die Argumente, die für den angeblich umweltverträglichen Kunststoff sprechen, jedoch bereits erledigt.
Neu ist die Idee Plastik durch biologisch abbaubare Kunststoffe zu ersetzen, nicht. Ihre Grundlage bilden stärkehaltige Pflanzen wie Mais, Zuckerrohr oder Hanf. In der Autoindustrie wird Hanf seit langem benutzt um Auskleidungen für Kofferräume und Dämmungen herzustellen. Im Jahr 1941 stellt Henry Ford der Öffentlichkeit ein Auto mit hanf- und soja-verstärkter Karosserie vor. Kunststoffe aus Hanfbasis finden sich derzeit in zahlreichen anderen Produkten wie DVDs, CD-Hüllen und Musikinstrumenten. Auch die Spielzeugfirma LEGO hat ihr Interesse bekundet.
Im Vorteil der Biokunststoffe (nämlich ihrer natürlichen Zersetzung) liegt allerdings auch ihr entscheidender Nachteil, der einen Eins-zu-Eins-Ersatz ausschliesst: Solange die Produkte verwendet werden, sollen sie sich nicht auflösen! Werden sie feucht, kann dies jedoch passieren. Mülltüten aus Biokunststoff können nicht lange gelagert werden ohne zu reissen. Das bedeutet, dass diese Tüten viel öfter erneuert werden müssen. Dies betrifft zahlreiche weitere Produkte je nach Art der Verwendung. Eine Möglichkeit diesem Zersetzungsprozess entgegen zu wirken, wäre die Versiegelung der Innenflächen. Dies setzt allerdings weitere, wahrscheinlich ebenfalls nicht gerade umweltfreundliche Schritte voraus. Der Einsatz von Produkten aus Biokunststoffen ist also sehr begrenzt.
Um wirkliche “Bio“Produkte handelt es sich bei Kunststoffen auf Pflanzenbasis auch deshalb nicht, da die Rohstoffe nicht aus ökologischem Landbau stammen. Auf natürlichem Wege abbaubar sind lediglich Kunststoffe aus Polymilchsäuren, welche aus Pflanzen gewonnen werden. Kunststoffe aus Polyethylentrephthalat (ein Stoff, der aus Zuckerrohr stammt) ist trotz seiner pflanzlichen Herkunft nicht kompostierbar. Zudem enthalten auch diese Produkte oft chemische Zusätze, die aus Erdöl gewonnen werden.
Der Anbau der Pflanzen, welche als Rohstoff für die Herstellung dienen, sowie deren chemische Aufbereitung verbrauchen ebenfalls eine Menge Energie und sind umweltbelastend. Die Bezeichnung „Naturprodukt“ ist also irreführend. Auch Erdöl ist letztendlich ein Naturprodukt!
Entscheidend ist auch was nach dem Gebrauch mit diesen Kunststoffen geschieht. Auf einem Komposthaufen können auch Produkte aus Polymilchsäuren kaum entsorgt werden, da sie sich extrem langsam zersetzen. Um zu zerfallen benötigen Biokunststoffe Temperaturen, die im heimischen Garten schlichtweg nicht erreicht werden können. In der freien Natur dürfen sie schon gar nicht entsorgt werden. Trotz ihrer Basis aus natürlichen Rohstoffen kann man diese Kunststoffe in Bezug auf ihre Verrottung keineswegs mit Apfelresten oder Eierschalen gleichsetzen.
Kompostierbar sind Biokunststoffe in der Praxis bisher nur in Kompostwerken. Um sie hierher zu befördern ist allerdings eine Entsorgungssystem nötig, das garantiert, dass diese Kunststoffe dort tatsächlich landen. Aus dem Restmüll werden sie in der Regel als Störfaktoren aussortiert. Grund ist, dass Sortiermaschinen zwischen kompostierbarem Müll und herkömmlichem Plastik nicht unterscheiden können. Werden diese Kunststoffe hingegen in der Wertstofftonne oder in der Gelben Tonne gesammelt, werden sie nicht etwa wie andere recycelbare Stoffe behandelt, sondern ebenfalls aussortiert und verbrannt.
Zusätze wie Weichmacher, Flammschutzmittel und UV-Stabilisatoren machen die eigentlich an sich nicht bedenklichen Kunststoffe gesundheitsschädlich. Sie können sich aus den Produkten lösen und in die Umwelt, die Luft, in Lebensmittel und damit auch in den menschlichen Körper gelangen. Im einzelnen sind dies:
Teflon – bei der Herstellung von Teflon gelangen hochgiftige Substanzen in Gewässer und Böden, welche zu weitreichenden Gesundheitsschäden beim Menschen führen können, wie etwa Beeinträchtigungen des Immun- und Hormonsystems. Sie können zudem Ungeborenen schaden und Krebs auslösen. Teflon kann nur im Verbrennungsprozess zerstört werden. Dabei entsteht allerdings es ein weiteres Gift - Flusssäure, welche anschliessend ebenfalls neutralisiert werden muss.
Epoxidharze und Polycarbonat - Beide Stoffe stehen auf der Liste der besonders gesundheitsgefährdenden Stoffe. In Produkten für Kleinkinder und Babys sind sie daher seit Jahren verboten. Sie werden aber nach wie vor für Küchenutensilien und Spielzeuge verwendet.
PVC – Dieser Kunstsoff enthält Chlor. Beim Verbrennen unter zu niedrigen Temperaturen entstehen hochgiftige Dioxine. Es werden zudem oft Weichmacher zugesetzt um Produkte elastisch zu machen und Schwermetalle um die Lebensdauer bestimmter Produkte zu verlängern. Einige dieser Stoffe lösen sich mit der Zeit und gelangen in die Umwelt.
Die Entwicklung der Ökokunststoffe steckt noch in den Kinderschuhen – verstärkte Forschung auf diesem Gebiet könnte aber zukünftig für Innovationen und positivere Bilanzen führen.
Schlechte Bilanzen haben auch Verpackungen aus Glas und Weissblech. Ihre Produktion ist ebenfalls sehr energieintensiv. Gerade bei Getränken aber sind Glasflaschen gegenüber Plastikflaschen unbedingt vorzuziehen, sofern es sich um Pfandflaschen handelt und diese in den Wiederverwertungskreislauf gelangen. Das Argument, Plastikflaschen seien leichter zu transportieren darf dabei keine Rolle mehr spielen. Auch bei Glasflaschen sind die Verschlüsse (ebenso wie bei Dosen) innen immer noch mit Kunststoff beschichtet.
Das Umweltbundesamt stuft die Ökobilanz alternativer Öko-Kunststoffe bisher nicht besser ein als Kunststoffe aus Erdöl. Die wirklich umweltfreundliche Alternative zur Plastikverpackung kann also bisher nur das Mitführen eigener Einkaufstaschen und wiederverwendbarer Dosen, etc. sein. Bereits vorhandene Plastiktüten sollten mehrfach verwendet werden. Statt Verpackungen aus Kunststoffen sollten solche aus Papier bevorzugt werden, am besten aus recyceltem Altpapier. Noch vor wenigen Jahren wurden Zeitungen genutzt um frische Lebensmittel zu verpacken.
Immer mehr Läden bieten ihren Kunden an, frische Waren wie Wurst, Käse und Fleisch in mitgebrachten Behältern zu kaufen. Auf Folien wird dabei vollständig verzichtet. Diese Angebote sollten unbedingt genutzt werden.
Ob es sinnvoll ist, nicht vermeidbare Verpackungen demonstrativ im Supermarkt liegen zu lassen, mag fraglich sein – es weist aber zumindest auf das Problem hin und zeigt, dass man nicht länger gewillt ist, sich selbst und die Umwelt ungefragt und unnötig mit schädlichem Abfall zumüllen zu lassen.
Vielleicht sollten wir uns von Zeit zu Zeit einfach daran erinnern, dass die Menschheit schon vor Erfindung des Plastik lebensfähig war. Ein bewusster Umgang mit Ressourcen und ein Verzicht auf all den Ebenen, wo es möglich ist, sind ein guter Schritt auf dem Weg zurück in eine gesundere Umwelt.
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