neue Wälder können Klimawandel stoppen
Viel zu viel als dass das Ökosystem allein mit dieser Belastung noch fertig werden könnte. Eine schnellstmögliche Begrenzung von Emissionen ist eine Sache, die Unterstützung natürlicher Kompensationsmethoden die andere. Nicht allein die Abgase in der Atmosphäre sind das Problem, sondern zusätzlich der drastische Verlust von Wäldern als natürliche Kohlenstoffspeicher und Frischluftlieferanten. Könnten gross angelegte Wiederaufforstungen den Klimawandel bremsen?
Der Ökologe Jean François Bastin hat eine Antwort darauf. Zusammen mit Thomas Crowther von der ETH Zürich und weiteren Mitarbeitern hat er anhand von Satellitendaten ermittelt, welche Flächen abseits von Bebauungen weltweit für eine gross angelegte Aufforstung geeignet wären und wie hoch deren CO2-Speicherkapazität sein könnte, wenn aus den Anpflanzungen in etwa 60 Jahren natürliche Wälder entstanden sein würden.
Die Länge dieses Zeitraumes macht einerseits Angst ob wir es überhaupt jemals schaffen können und zeigt andererseits, wie sehr wir die natürliche grüne Lunge der Erde bereits zerstört haben. Sollte uns die Wiederaufforstung gelingen, so könnten diese neuen Wälder allerdings zwei Drittel aller Kohlenstoffemissionen kompensieren.
Rechnet man Gebiete hinzu, die für menschliche Siedlungen und landwirtschaftliche und forstwirtschaftlicher Nutzung zur weiteren Verfügung stünden, wären es theoretisch sogar 4400 Millionen Hektar. Sollte diese Rechnung aufgehen, so könnten 200 Milliarden Tonnen des seit Beginn des Industriezeitalters freigesetzten CO2 wieder ausgeglichen, beziehungsweise im Boden gespeichert werden.
Die grössten zusammenhängenden Wälder mit dem höchsten Potenzial zur Klimaregulierung ziehen sich entlang des äquatorialen Gürtels. Ein günstiges Klima und ein reiches Wasservorkommen macht die Regenwälder Südamerikas und Indonesiens zu den ökologisch wertvollsten Sauerstofflieferanten und Kohlenstoffspeichern. Entsprechend dramatisch ist ihr unaufhörliches Schwinden. Für eine Wiederaufforstung stünden theoretisch allein in Brasilien rund 50 Millionen Hektar zur Verfügung.
Laut des Ministeriums für Entwicklungshilfe werden von diesem zur Zeit 200 Projekte zum Schutz von Wäldern, hauptsächlich in Afrika und Südamerika gefördert. Weitere Initiativen machen mit gutem Beispiel vor, wie es laufen könnte:
Ein Ehepaar hat in Brasilien mit grossen Erfolg 12 Millionen Hektar Regenwald wieder aufgeforstet. Die Flächen waren zuvor als Weideland für Schlachtvieh gerodet wurden. Die Landschaft verödete. Zusammen mit seiner Frau Laila und ihrer Organisation Instituto Terra hat Sebastiao Ribeiro Salgado im Laufe der letzten zwei Jahrzehnte auf einer Fläche von etwa sechs Quadratkilometern neuen Regenwald entstehen lassen. Sie setzten mit 2.700.000 neuen Bäumen auf ihrer ehemaligen Farm in Aimores nicht nur ein deutliches Zeichen gegen den Klimawandel, sondern gaben auch zahlreichen zum Teil vom Aussterben bedrohten Tierarten eine neue Heimat. Etwa 290 verschiedene Pflanzenarten wachsen seitdem wieder in dem Gebiet. Zahlreiche Vogel- und Säugetierarten, Reptilien und Amphibien sind zurückgekehrt und bereits ausgetrocknete Flüsse führen wieder Wasser. Mit ihrer Organisation Instituto Terra wollen die beiden auch weitere gerodete Waldflächen wieder aufforsten.
Die Aktion zeigt: Dies ist eine notwendige und sinnvolle Investition in die Zukunft unseres Planeten. Sie muss Schule machen und Nachahmer finden. Bei Projekten dieser Art kommt es neben der Qualität auch sehr auf die Quantität an, da eine Fläche mit jungem Bewuchs bei Weitem nicht das zu leisten imstande ist wie eine gleichgrosse Fläche mit alten Bäumen. Der neu angelegte Regenwald wird erst in vielen Jahrzehnten die Leistung erbringen, die sein abgeholzter Vorgänger für die Umwelt erbracht hat.
Auch Indien, ein Land welches als drittgrösster Verursacher von Kohlenstoffemissionen weltweit gilt, unternimmt enorme Anstrengungen bei der Wiederaufforstung von Wäldern. Einem Land, in welchem ein grosser Teil der Bevölkerung in bitterer Armut lebt, ist dies hoch anzurechnen. In Drittwelt-Ländern wird Klimaschutz in der Regel hinter die Bekämpfung der Armut gestellt. Umweltschutz und Tierschutz haben daher aus verständlichen Gründen oft keinen oder nur einen untergeordneten Wert.
So erfolgversprechend sich dies aber auch anhört und so sehr es zu weiteren Pflanzaktionen animiert – diese Werte sind bisher noch Theorie. Es ist ein Anfang, der auch in anderen Teilen der Welt umgesetzt wird.
Was sich in der Theorie grossartig anhört, gibt jedoch in der Praxis (noch) wenig Anlass zur Hoffnung. Trotz Wiederaufforstungsmassnahmen, die bereits heute laufen, steigt die Zahl der Bäume auf dem Planeten nicht etwa an, sondern vermindert sich sogar. Der Industrie, der Landwirtschaft und dem Städtebau dürften die Hälfte aller natürlichen Waldflächen auf der Erde zum Opfer gefallen sein.
Allein im Monat Juni 2019 sind 762 Quadratkilometer Regenwaldfläche in Brasilien für die landwirtschaftliche Nutzung gerodet worden. Im Vergleich zum Vorjahr hat sich laut Satellitendaten die Abholzung in dem lateinamerikanischen Land damit mehr als verdoppelt! Der in anderen Teilen der Welt propagierte bewusste Verzicht auf Tropenhölzer entschärft die globale Situation nur wenig - für Möbel und Baumaterial werden stattdessen einheimische Wälder abgeholzt.
Um nur einen einzigen ausgewachsenen Baum in seiner Wirkung auf das Klima zu ersetzen, braucht es mehrere hundert junge Bäume. In den ersten Jahren nach der Pflanzung legen Bäume nur einen geringe Biomassenvorrat an. Dieser ist Voraussetzung für die Speicherung von Kohlenstoff. Abhängig von der Art des Baumes, seines Alters, der Dichte seines Holzes, der Bodenqualität seines Standortes und seiner Zuwachsrate kann ein Baum pro Jahr etwa 10 bis 13 Kilogramm Kohlenstoff binden. Eine 80-jährige Buche mit einer Höhe von mindestens 20 Metern und einem Stammdurchmesser von 30 Zentimetern kommt auf etwa diesen Wert. Ein solcher Baum hat etwa 550 Kilogramm Trockenmasse in seinem Stamm, den Ästen und den Blättern. Weitere etwa 50 Kilogramm befinden sich in den Wurzeln. In diesen rund 600 Kilogramm Trockenmasse speichert ein solcher Baum etwa eine Tonne Kohlenstoff. Für diese Leistung benötigt er allerdings 80 Jahre! Um jährlich eine Tonne CO2 aus der Atmosphäre zu binden bedarf es also rund 80 ausgewachsener Bäume.
Umso wichtiger wäre es, keinen einzigen Tag mehr zu verlieren und zu handeln! Die Zeit setzt uns bedrohlich im Nacken: je länger wir warten und je wärmer es auf der Erde wird, desto trockener wird sie zugleich und damit schrumpfen auch die potentiellen Flächen für die Anpflanzungen neuer Wälder.
Der sogenannte „Global Overshoot-Day“ (der Welterschöpfungstag, an dem gegenübergestellt wird, was genau an Ressourcen verbraucht und wie viel CO2 global ausgestossen wurde ohne kompensiert werden zu können) fiel im Jahr 2018 auf den ersten August. In diesem Jahr wird es schon am 29. Juli soweit sein. Der Erderschöpfungstag liegt derzeit noch etwa in der Jahresmitte. Aber dort wird er nicht stehenbleiben. Es ist abzusehen, dass er ohne eine sofortige, effizienten Klimaschutz wohl in jedem weiteren Jahr früher ausfallen wird. Wir bewegen uns also unaufhörlich in Richtung Jahresanfang. Es ist so gesehen nicht einmal mehr fünf vor Zwölf sondern schon zu spät.
Noch dazu bedürfte es nur relativ wenig Einsatz von menschlicher Seite. Bestehende Wälder einfach wachsen zu lassen ohne weitere Eingriffe in die Natur, abgeholzte Flächen wieder aufzuforsten und dann ebenfalls mehr oder weniger sich selbst zu überlassen wäre demnach die Zauberformel.
Die Wiederaufforstung dürfte nicht erst in schon gelichteten Wäldern oder auf völligem Kahlschlag entstehen, sondern jeder gefällte Baum bereits durch eine ausreichende Anzahl junger Bäume ersetzt werden, um einen Übergang zu schaffen. In der breiten Bevölkerung ist die Akzeptanz zum Umweltschutz längst angekommen. Es fehlt jedoch der notwendige Geistesblitz in den Köpfen der Politiker und Wirtschaftsbosse.
Umweltschützer und Experten fordern diesen „Klimatauglichen Waldumbau“ seit langer Zeit. Allerdings reagieren Wirtschaft und Politik viel zu langsam. Gerade hier wäre ein sofortiges Handeln von extremer Wichtigkeit. Solange Forstwirtschaft zugunsten des Profits als wichtiger erachtet wird als Klimaschutz, sieht es schlecht aus um unsere Wälder.
Trotz aller Möglichkeiten kann und darf die Aufforstung aber nur als eine von vielen Massnahmen gegen den Klimawandel gesehen werden. Ein schnellstmögliches Ende der Ausbeutung fossiler Ressourcen sind ebenso wichtig.
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