Seegrasplantagen als riesige CO2-Senke
Die Suche nach Massnahmen um dem Klimawandel entgegenzuwirken, beschäftigt Wissenschaftler, Techniker und Biologen gleichermassen. Neben der Reduzierung klimaschädigender Abgase und Abfällen, der Energiewende, der Ausweisung von Schutzzonen für bedrohte Tier und Pflanzenarten tüfteln Biologen an Methoden, die auf natürliche Weise zum Erhalt des biologischen Gleichgewichts beitragen sollen. So werden beispielsweise Bakterien eingesetzt, um nach Tanker-Havarien zusätzlich zu mechanischen und manuellen Reinigungsmassnahmen, Ölteppiche auf der Meeresoberfläche zu zersetzen. Nun hat eine Biologin aus Dänemark herausgefunden, wie Seegraswiesen die Klimaerwärmung verlangsamen können.
Die länglichen Blätter, die braun und vermodernd ans Ufer gespült zum Ärgernis an so manchem Badestrand sind, kennt jeder, der einmal am Meer Urlaub gemacht hat. Dass die Pflanze aus dem Ozeans aber sowohl für die Meeresbewohner als auch für das Meeresklima unersetzliche Vorteile bietet, ist dagegen wenig bekannt. Sie dienen Fischen und Krebstieren als Lebensraum. Sie bieten Nahrung für Schildkröten und andere Pflanzenfresser. Sie reinigen das Wasser und versorgen es mit Sauerstoff. Ähnlich wie die Wälder auf dem Festland geben Seegraswiesen dem Untergrund Halt und Schutz vor Erosion. Die vielseitige Pflanze wird von vielen Küstenvölkern traditionell für verschiedene Zwecke eingesetzt: getrocknet dienen die Pflanzenteile als Füllmaterial für Betten und Dächer werden damit abgedichtet. Sie dient als Tierfutter und Dünger ebenso wie als natürliche Medizin. Bis auf die Gebiete rund um die Antarktis sind Seegraswiesen in sämtlichen Küstengebieten der Welt zu finden.
Ebenso wie Bäume ist die Pflanze zudem in der Lage grosse Mengen von Kohlendioxid zu speichern. Dabei ist die Aufnahmekapazität der Wasserpflanze allerdings um ein Vielfaches grösser als das der gleichen Menge an Bäumen. Die dänische Biologin Marianne Holmer hat mit ihrem Team von Wissenschaftlern herausgefunden, dass eine Seegraswiese von der Grösse eines Hektars in der Lage ist die selbe Menge an Kohlendioxyd zu speichern wie ein ca.10 Hektar grosses Waldgebiet.
Alle Lebensformen dieses Planeten betreiben Stoffwechsel. Beim Wachsen nehmen sie Kohlendioxid auf. Solange sie leben, speichern sie den schädlichen Stoff. Allein die weltweiten Seegraswiesen beteiligen sich auf diese Weise mit einer Speicherung von etwa 27 Millionen Tonnen. Bis zu 15 % des vom Ozean aufgenommenen CO2 wird durch Seegras gebunden. Damit übersteigt ihre Kapazität die aller Mangrovenwälder der Erde.
Sobald Lebewesen aber absterben und der durch Mikroorganismen ausgelöste Zersetzungsvorgang beginnt, wird das gespeicherte Kohlendioxid wieder freigesetzt. Dazu benötigen Bakterien ihrerseits Sauerstoff. Wie schnell die Zersetzung und damit die Freisetzung von CO2 vonstatten geht, hängt also einerseits von der Lebenserwartung eines Individuums ab und andererseits davon wie viel Sauerstoff den an der Zersetzung beteiligten Mikroorganismen zur Verfügung steht. Viele Pflanzen leben im Verhältnis zu Menschen und Tieren extrem lange und sind schon aus diesem Grunde um ein Vielfaches besser geeignet CO2 einzulagern.
Zwar gehört das Seegras nicht zu den langlebigsten Gewächsen auf der Erde, aber es besticht mit anderen Vorteilen. Es wächst zwar in Küstennähe, aber auch in Tiefen bis zu fast 100 Metern unter dem Meeresspiegel. Sie fungieren dort als CO2-Speicher. Sterben sie ab, so geben auch sie natürlich ihre Funktion als Speicher wieder auf. Im Gegensatz zu Pflanzen auf dem Land allerdings werden beim Seegras abgestorbene Teile in der Regel von der Strömung des Wassers fortgetrieben und versinken tief im Sediment des Meeresbodens. Dort gibt es kaum Sauerstoff, die Bakterien können also so gut wie gar nicht aktiv werden. Der im Seegras gespeicherte Kohlenstoff kann so über viele hundert Jahre sicher auf dem Meeresgrund verwahrt werden. Zudem verfangen sich im Seegras auch andere abgestorbene Meerestiere und Pflanzen, die durch die dichten Halme daran gehindert werden an den Strand gespült zu werden. Auch sie werden vom Wasser ins Sediment gespült, wie die Biologin Marianne Holmer bei Forschungen vor der dänischen Ostseeküste herausgefunden hat.
Aufgrund ihrer geographischen Lage ist die Effektivität von Seegraswiesen als Kohlenstoffspeicher unterschiedlich. Es gilt daher herauszufinden, welche Voraussetzungen erfüllt werden müssen, um den grössten Nutzen zu bieten. Das Forscher–Team um Holmer fand heraus, dass in der Bucht der Insel Thurø vor Dänemark pro Quadratmeter etwa 27 Kilogramm Kohlenstoff im Meeresboden gespeichert sind. Damit schafft die Bucht rund zehnmal soviel wie andere Seegraswiesen in der Ostsee.
“Wir müssen jede Chance nutzen um CO2 einzufangen." Marianne Holmer.
Weltweit speichern Seegraswiesen von Australien über das Mittelmeer bis nach Nordamerika bis zu zwanzig Milliarden Tonnen des Klimagases. Damit das so gut funktioniert und auch so bleibt, müssen aber intakte Meeresböden vorhanden sein. Auf natürliche Weise verdicken sich die Böden mit der Menge der Ablagerungen. Von der massiven Umweltzerstörung sind aber auch die Meeresböden nicht verschont. Sind diese nicht in der Lage totes Seegras einzulagern, sondern verkehrt sich der nützliche Effekt der Pflanzen in das Gegenteil.
Die guten Forschungsergebnisse legen nahe, Seegraswiesen gezielt anzupflanzen und zu kultivieren. Bereits jetzt wird auf der ganzen Welt versucht, solche Unterwasser-Plantagen anzulegen. Bisher allerdings mit mässigem Erfolg. Ebenso wie ein Acker auf Land muss auch der Meeresboden zunächst optimiert werden. Die Schösslinge müssen danach per Hand von Tauchern eingepflanzt werden. Das Gedeihen der Pflanzen ist witterungsabhängig und immer wieder werden sie auch von Pilzen befallen. Ihre Samen zu gewinnen ist schwierig. Diese Form der Unterwasserwirtschaft steckt noch in den Kinderschuhen, könnte sich aber in naher Zukunft verbessern. Vorab ist es wichtig, den Seegraswiesen vor allem dort wieder Lebensraum zu schaffen, wo es sie einmal gegeben hat.
So wie auch auf der Landfläche Urwälder immer weiter schrumpfen, sind auch die Grünflächen unter dem Meeresspiegel von einem massiven Rückgang bedroht. Grund ist die Verschmutzung des Meerwassers durch Phosphate und Dünger aus der Landwirtschaft, die nach wie vor in grossen Mengen in das Meer eingeleitet werden. Aber auch das Ausschwemmen von Mutterböden aus Wäldern und Feldern setzt dem Seegras zu, weil sich dadurch die Meerwasserqualität enorm verschlechtert. Momentan verringern sich die weltweiten Seegrasflächen um etwa 1,5 % jährlich. Durch ihr Absterben werden ca. 22 Millionen Tonnen (oder mehr!) Kohlenstoff in die Atmosphäre abgegeben. Durch den Verlust der Meeresböden könnten es in naher Zukunft sogar bis zu 300 Millionen Tonnen werden!
Besonders betroffen vom Seegras-Sterben sind die warmen Gewässer des Mittelmeeres. Wissenschaftler des spanischen Forschungsinstituts Imedea schätzen, dass es bis zur Mitte des Jahrhunderts im Mittelmeer überhaupt kein Seegras mehr geben wird. Schon jetzt hat die hier beheimatete, grossblättrige Form des Neptungrases ihre Funktion als Lebensraum und Futterpflanze für zahlreiche Meerestiere wie Schildkröten, Fische und Krebse nahezu völlig verloren. Dabei wäre gerade diese langlebige Art besonders gut als CO2-Speicher geeignet. Bis zu fünfzig Jahre alt wird die Pflanze. Allerdings wächst sie extrem langsam (bis zu einem Zentimeter pro Jahr) und ist durch ihre große Störungsempfindlichkeit an neue Umweltbedingungen schlecht anpassungsfähig.
Die Kultur von Seegraswiesen wird sicher den Klimawandel nicht aufhalten. Es ist aber eine weitere wirksame Waffe im Kampf gegen die fortschreitende Erderwärmung. In den Küstengewässern vor Dänemark befinden sich momentan etwa 2000 Quadratkilometer, die von der Wasserpflanzen bewachsen sind. Was sie in der Lage sind zu speichern entspricht der Emission der Heizungen von etwa zweieinhalb Millionen Haushalten.
Wissenschaftliche Untersuchungen an der deutschen Ostseeküste haben gezeigt, dass eine verantwortungsvolle Umweltpolitik, die Phosphate und Überdüngung nicht mehr zulässt, sehr zeitnah zu positiven Ergebnissen geführt hat. In den Gewässern vor Schleswig Holstein ist nach einem konsequenten Schutz des Wattenmeeres das Seegras ohne weiteres menschliches Tun zurückgekommen. Es wäre wünschenswert, wenn Politiker weltweit diesem Beispiel folgen würden.
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