Wie sinnvoll sind Aufforstungsinitiativen und wo? 400 Jungbäume sind nötig, um die Umweltleistung eines alten Baumes zu ersetzen.
Welchen immensen nutzen Wälder und auch einzelne Bäume haben, dürfte heute selbst der grösste Klimaskeptiker nicht mehr abstreiten. Sie liefern Sauerstoff, filtern die Luft, speichern Kohlenstoff, schützen den Boden vor Erosion, spenden Schatten und Kühle sowie Lebensraum für Tiere und andere Pflanzen, aber auch für manche indigenen Völker. Sie sind wichtige Regulatoren des Weltklimas und wirken sich nicht zuletzt positiv auf die Psyche des Menschen aus.
Zwar erfüllen viele dieser Funktionen auch andere Bereiche auf der Erde, wie zum Beispiel die Weltmeere, unbestritten ist aber, dass jeder Baum heutzutage erhaltenswert ist und jede Abholzung gründlichst überlegt sein sollte. Eine grossflächige Rodung, wie beispielsweise im Amazonas-Regenwald allein aus wirtschaftlichen Überlegungen, von denen letztendlich vor allem reiche Grossgrundbesitzer profitieren, muss ein Ende finden.
Gefällte Bäume einfach an anderer Stelle zu ersetzen, hört sich gut an, ist aber bei näherer Betrachtung der Bedingungen leider auch keine zufriedenstellende Lösung.
Es ist zweifellosein gutes Zeichen, dass heute so viele Menschen sich für die Wiederaufforstung von Wäldern und die Pflanzung neuer Bäume, wo immer es möglich erscheint, einsetzen. Darin allein kann der Kampf gegen den Klimawandel aber nicht bestehen, wenn nicht gleichzeitig die von Menschen verursachten Emissionen gestoppt werden.
Einen jungenBaum gegen einen gefällten zu ersetzen, ist weniger als ein Tropfen auf einen heissen Stein. Für einen zehn Meter hohen Laubbaum beispielsweise müssten mehrere hundert Jungbäume gepflanzt werden, um in vielen Jahrzehnten einen annähernden Ersatz zu schaffen. Forschungen an der Technischen Universität Dresden zu sogenannten Methusalem-Bäumen haben ergeben, dass rund 400 Jungbäume nötig sind, um die Umweltleistung eines alten Baumes mit einem Kronendurchmesser von etwa 20 Metern zu ersetzen. Dieses Unterfangen scheitert also schon allein an der dafür benötigten Fläche. Aber das ist bei weitem nicht das einzige Problem.
Jahrzehnte zu spät haben Regierungen nun endlich begriffen, dass der Klimakrise Einhalt geboten werden muss. Ein Mittel dazu ist der Erhalt von Waldflächen. Auf dem Klimagipfel in Glasgow erklärten sich über 100 Staaten dazu bereit, ab 2030 auf weitere Abholzung zu verzichten. Dieses Abkommen käme rund 34 Millionen Quadratkilometer Waldfläche zugute, etwa 85% aller Wälder der Erde.
Auch der brasilianische Präsident Lula versprach bei seiner Wiederwahl, sich anders als sein Vorgänger Bolsonaro, für Natur und Umweltschutz einzusetzen. Weltweit gibt es seit langem Schutzprogramme, so etwa auch die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, die schon 1952 mit „Der Tag des Baumes“ eine Aktion ins Leben gerufen hat, die den Schutz der Wälder nach der starken Abholzung im zweiten Weltkrieg in den Fokus der Öffentlichkeit rückt oder auch der Waldschutz Schweiz, der, zusammen mit den kantonalen Forstdiensten, Vorkommen und Ausmasse von biotischen und abiotischen Beeinträchtigungen des Waldes erhebt und darüber hinaus über aktuelle Waldschutzereignisse informiert, Betroffene bei Waldschutzfragen berät und sich in der Weiterbildung von Forstdiensten, der Grünen Branche, Studierenden und weiterem Fachpersonal engagiert.
Noch einmal zurück zu der Idee, gefällte Bäume durch junge Bäume zu ersetzen: Natürlich ist es völlig unmöglich, dass ein junger Baum die Leistung erbringt, die ein jahrhundertealter Urwaldriese erbracht hat. Das Kohlendioxid, das er in seiner Biomasse und auch im Boden unter ihm gespeichert hat und das bei seiner Fällung freigesetzt wird, ist in der Atmosphäre. Dass ein Jungbaum diese Masse gar nicht kompensieren kann, ist logisch.
Ebenso verständlich ist, dass auch er erst in vielen Jahrzehnten so viel Sauerstoff produzieren kann, Lebensraum bieten und Schatten spenden kann, wie sein Vorgänger. Unternehmen, die mit der Neupflanzung von Bäumen ihre Produkte bewerben, betreiben unter diesen Voraussetzungen nichts anderes als Greenwashing.
Ein weiteres Problem besteht darin, dass junge Bäume gar nicht dort gepflanzt werden, wo die alten gefällt worden sind. Diese Flächen sollen ja anderweitig genutzt werden. Aufforstung findet also auf freien Flächen statt – dort, wo früher gar kein Wald war. Dies ist im schlimmsten Falle ein weiterer schädlicher Eingriff in die Natur. Um Wälder durch Aufforstung zu schaffen, wird hier erneut zunächst einmal Lebensraum zerstört und Biodiversität gemindert. Auf diese Art entstandene Wälder sind biologisch nicht wertvoller als Parkanlagen oder Plantagen.
Auch ein weiterer Faktor spricht gegen diese Massnahme: In natürlichen Wäldern wachsen nicht alle Bäume zur selben Zeit. Junge Triebe streben zwischen alten Pflanzen zum Licht. Diejenigen die es schaffen, sind sehr widerstandsfähig und wenig anfällig gegen Krankheiten. Zudem braucht ein gesunder Wald Totholz für eine intakte Biodiversität. All das gibt es in aufgeforsteten Wäldern nicht. Bäume in diesen plantagenartig angepflanzten Wäldern haben zwangsläufig alle dasselbe Alter und dieselbe Grösse und stehen in so starker Konkurrenz zueinander, dass sie irgendwann schlichtweg ihr Wachstum einstellen.
Was in Urwäldern ein wildes Durcheinander verschiedenster Pflanzen und Baumarten zu sein scheint, hat seinen guten Grund. Jede Pflanze hat entsprechend ihrer Art unterschiedliche Bedürfnisse an den Boden, braucht unterschiedlich viel Wasser und Licht. Urwälder bestehen aus verschiedenen „Etagen“, in denen jeder Baum nach seinen Bedürfnissen leben kann. Natürliche Wälder sind Mischwälder, niemals Monokulturen.
Selbst wenn die oben genannten Voraussetzungen erfüllt werden, kann ein künstlich angelegter Wald eine Gefahr darstellen, wenn er in Gegenden angelegt wird, an denen von Natur aus nie Wald war.
Wälder absorbieren die Hitze der Sonne und reflektieren deren Strahlung nicht. Künstliche Wälder, dort wo früher vielleicht Steppenlandschaften waren, verändern den Wasserkreislauf und die Beschaffenheit des Bodens. Über Wäldern verändert sich das Verhalten von Wolken. Eine dichte Wolkendecke sorgt ihrerseits zu einer Abkühlung des Klimas, weil sie die Sonneneinstrahlung reflektieren.
Besonders dramatisch ist es, die Polregionen der Erde aufzuforsten. So wie in Schweden mittlerweile Weinanbaugebiete entstanden sind, so bietet der aufgetaute Permafrostboden beispielsweise in Island und Grönland eine Grundlage für Bäume. Was sich gut anhört, könnte aber in Wahrheit eine weitere Katastrophe werden.
Wo kein Eis mehr ist, wird die Sonne nicht mehr reflektiert. Durch die Aufforstung solcher Gebiete könnte eine Negativspirale in Gang gesetzt werden, die den Klimawandel nicht stoppt, sondern sogar fördert.
Ein natürlicher Urwald braucht die Regulation und die Pflege des Menschen nicht. Im Gegenteil. Alles regelt sich von selbst, der Wald ist völlig stressfrei. Sterben und neues Leben unterliegen einem gesunden Kreislauf. Wälder werden auch mit natürlich vorkommenden Starkregenereignissen und Stürmen fertig. Selbst Waldbrände machen gesunden Wäldern nicht den Garaus. Sie dienen der Erneuerung des Waldes.
Waldbrände gibt es seit Anbeginn der Erde und sie helfen dem Wald sogar bei der Regeneration. In Zeiten des Klimawandels sieht das allerdings anders aus. Gab es im Schnitt alle 100 Jahre einen Waldbrand, so gibt es sie heute viermal so oft. Solche Situationen verkraften sie dann nicht mehr. Hinzu kommen zu langanhaltende Trockenperioden oder sintflutartige Regenfälle, die dem Wald zu schaffen machen.
Dasselbe gilt auch für Stürme. Natürliche Stürme räumen den Wald auf. Sie fällen alte schwache Bäume auf ihre Weise, sorgen für Totholz und dafür zugleich für neuen Lebensraum im Wald. Die viel zu heftigen Orkane in kurzen Abständen sorgen allerdings zusätzlich zur Abholzung für einen nicht wieder gut zu machenden Kahlschlag. Der Wald bekommt keine Erholungspausen und schafft es irgendwann nicht mehr, sich zu regenerieren.
In vielen Ländern Lateinamerikas und auch in Russland wird noch immer die Meinung vertreten, eine land- und viehwirtschaftliche Nutzung von ursprünglichen Waldflächen diene der Förderung von Lebensqualität. Ganz von der Hand zu weisen ist diese Betrachtung nicht. Die sogenannte Urbarmachung dient der Lebensmittelproduktion und dem Siedlungsbau für eine expansiv wachsende Bevölkerung, der Förderung diverser Bodenschätze und bietet Arbeitsplätze.
Ein wichtiger Ansatz muss also darin bestehen, ökologisches Handeln über ökonomische Interessen zu stellen. Der Konsum muss sich verändern. Die Vernichtung natürlicher Lebensräume erfüllt den verständlichen Wunsch nach mehr Lebensqualität nur kurzfristig. Langfristige Auswirkungen werden zu nachlässig behandelt. Trotz aller wissenschaftlichen Appelle: Aufklärung tut weiterhin Not.
Es entspricht leider der menschlichen Denkweise, in alles eingreifen und alles regulieren zu müssen, auch die Natur. In diesem Falle funktioniert das leider nicht. Helfen wird auf die Dauer nur die Einsicht, die eigenen wirtschaftlichen Interessen hinter den Fortbestand einer lebenswerten Erde für uns alle zu stellen.
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