Das CORSIA-Abkommen
Die Welt ist klein geworden seitdem die moderne Luftfahrt für jedermann nutzbar ist. Nie war es so leicht von einem Ort zum anderen zu gelangen. Nie funktionierte Fortbewegung und Transport so schnell und so unkompliziert wie heute.
Wo viel Licht ist, da ist bekanntlich auch viel Schatten. Die expandierende Weltwirtschaft und die globale Mobilität führten zu einem rasanten Wachstum der Flugindustrie. Billigflieger sind längst keine Ausnahmen mehr. Die Kosten trägt allein die Umwelt.
ICAO beschliesst globales Klimaschutzabkommen CORSIA für die zivile Luftfahrt
Auf der 39. Klausurtagung in Montreal am 6. bis 7. Oktober 2016 beschloss die internationale Luftfahrtindustrie (IATA) mit dem Projekt CORSIA (Carbon Offsetting and Reduction Scheme for International Aviation) ein Programm um künftig alle Airlines zur Klimaneutralität zu verpflichten.
Vereinbart wurde dabei von den 191 Mitgliedstaaten der ICAO (internationale Zivilluftfahrtorganisation) nach jahrelangen Vorbereitungen ein Programm für die internationale Luftfahrt. CORSIA ist damit das erste globale System für einen gesamten industriellen Sektor und eine weltweit erste Vereinbarung dieser Art. Die Mitglieder folgten damit den schon im Kyoto-Protokoll verhandelten Vorgaben für die Luft- und Seefahrt von 1997.
Bis alternative Treibstoffe und verbesserte Technologien aber tatsächlich zu einer Netto-reduzierung der Emissionen in der Luftfahrt führen, wurde beschlossen, zunächst lediglich das weitere Wachstum der Branche emissionsneutral zu gestalten. Dementsprechend haben die ICAO-Mitglieder ein Offsetting-System zur Emissions-Kompensation vorgestellt:
Beginnend mit dem Jahr 2021 geht das Projekt CORSIA zunächst bis zum Jahre 2026 in eine freiwillige Periode bevor es danach zur Verpflichtung wird.
Ziel des Abkommens ist, die Emissionen aus dem Flugverkehr ab 2020 schrittweise zu kompensieren. Dazu sollen die Airlines Emissions-Zertifikate erwerben. Mit den Einnahmen daraus soll dann in diverse Umweltschutzprojekte investiert werden, wie dies bei anderen Branchen längst üblich ist.
Wie auch bei den Kompensationsverpflichtungen anderer Industriezweige blieben hier Entwicklungsländer zunächst ausgeklammert. Dennoch erklärten sich auch viele Inselstaaten und Entwicklungsländer zur freiwilligen Teilnahme bereit. Damit haben zum jetzigen Zeitpunkt 65 Mitgliedstaaten ihre Mitwirkung zugesichert, etwa 80 % werden nach 2020 freiwillig dabei sein.
Trotz der letztlich grossen Zustimmungen beruhte die Teilnahme an der Umsetzung der Emissionsreduktionen ab 2020 nicht auf der Einsicht der Mitglieder. Allein durch die marktorientierte Massnahme, ein klimaneutrales Wachstum der jährlich um etwa 4 % expandierenden Branche ab 2020 ins Auge zu fassen und weitere finanzielle Bereitstellungen von Regierungen in Investitionen und Modernisierungen, konnte CORSIA realisiert werden.
Wie künftig sichergestellt werden kann, dass es durch CORSIA nicht zu Marktverzerrungen kommt, wird eine weitere Frage sein. Beispielsweise könnten schnell wachsende Fluggesellschaften, die bereits erhebliche Investitionen zur Verbesserung der Umwelt geleistet haben, hier mit einer gewissen Ungerechtigkeit zu kämpfen haben.
Das Abkommen ist sicher ein wichtiger, längst überfälliger Schritt. Umweltschützer kritisieren dennoch die ICAO-Beschlüsse als viel zu schwach. Was bedeutet dies im Klartext?
Der weltweite Flugverkehr emittiert ca. 800 Millionen Tonnen CO2 (neben den ebenfalls klimaschädigenden Gasen wie Wasserdampf und Ozon) und ist für ca. 2% der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Eine Kompensation dieser Menge liegt also nicht nur auf der Hand sondern sollte selbstverständlich sein. Andere Branchen werden hier bereits seit Längerem verpflichtet und leisten entsprechende Zahlungen. Zudem sollte der Luftfahrt angesichts der rapide gesunkenen Preise für Kerosin diese Ausgleichszahlungen nicht besonders schwerfallen. Laut einer Untersuchung der IATA (International Civil Aviation Organization) betragen die Einsparungen an Betriebskosten dank der gefallenen Preise im Jahr 2016 satte 100 Milliarden US-Dollar. Dennoch haben sich die Verantwortlichen der Luftfahrtindustrie lange gesperrt, einen Entwurf zur verantwortungsvollen Regulierung der CO2-Emissionen aus der Luftfahrt zu akzeptieren.
Das Klimaschutzabkommen der internationalen Luftfahrtindustrie CORSIA zeigt einmal mehr, dass der Stellenwert des Profits noch immer über dem der Umwelt liegt. Noch immer ist das Abkommen unzulänglich und letztlich nicht mehr als ein zähneknirschend hingenommener Kompromiss.
Sprecher der International Civil Aviation Organization (ICAO) erklärten beim ICAO 39th Triennial Assembly in Montréal mit ihrem "historischen, globalen Klimaschutz-Airline-Deal" ab 2020 für das jährliche Wachstum der Branche Ausgleichszahlungen in Höhe von 40-50 Mio. US-Dollar pro Jahr zu leisten, eine verantwortungsvolle Haltung gegenüber der Umwelt einzunehmen.
Die Verpflichtung der Airlines beschränkt sich damit aber auf ein "klimaneutrales Wachstum" ab 2020. Die Luftfahrtindustrie expandiert jährlich um etwa 4%. Die Kompensation dieses relativ geringen Anteils am Gesamtunternehmen erscheint wie der berühmte Tropfen auf den heissen Stein angesichts der bereits jetzt pro Jahr anfallenden 800 Millionen Tonnen gasförmiger Emissionen allein durch diese Branche.
CORSIA wurde von seinen Machern als historischer Moment in der Geschichte des Klimaschutzes bezeichnet. Klimaschützer und Experten sehen das anders. "Historisch ist an diesem Abkommen lediglich, dass es überhaupt ein Abkommen gibt, meint dazu der Hamburger Klimaforscher und Meteorologe Majib Latif: "Umwelttechnisch ist es leider völlig nutzlos... - ...Dieses Luftverkehrsabkommen ist in keiner Weise geeignet, der Klimaerwärmung entgegen zu wirken."
Solange der weltweite Flugverkehr nicht klimaneutral wird, bleibt der Traum vom preisgünstigen Fliegen ein wenig nachhaltiges Vergnügen und ein Blindflug in Richtung einer weiteren Erwärmung des Klimas. Die Rechnung haben wir letztendlich dann alle zu tragen. CORSIA ist sicher ein längst überfälliger Schritt in die richtige Richtung. Ein "Überflieger" aber ist das Abkommen nicht sondern lediglich ein (bescheidener) Anfang.
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